Bericht der Jury

Julia Augart

Das Thema des diesjährigen Literaturwettbewerbs der Literaturzeitschrift Felsgraffiti war „Begegnung“, bei dem 32 verschiedene Beiträge eingereicht wurden. Die eingereichten Gedichte, Kurzgeschichten und kurzen Geschichten sind vielfältig, alle sind zum Thema und fast alle haben einen Namibia-Bezug. Es war für die Jurymitglieder Julia Augart, Helmut Bistri, Martina Hückmann, Erich Kunderer und Irmi Röder keine leichte Aufgabe, es gab unterschiedliche Favoriten, kontroverse Meinungen und rege Diskussionen, um sich gemeinsam auf die Gewinner zu einigen.

„Bericht der Jury“ weiterlesen

Ein Zicklein

Kerstin Jäger

Sie hatten wunderbare Tage verbracht. Im Caprivi zeigte sich das schroffe, oft erbarmungslose Land in blaugründurchströmter Schönheit. In traumhaften Lodges hatten sie übernachtet, oft zu wenig geschlafen, um nicht den spektakulären Sonnenaufgang zu verpassen, um die Eulen in der Nacht, die Kingfisher am Morgen, die Hippos im Okavango, die Krokodile im Zambezi zu beobachten. Und dennoch war Erholung spürbar. Erholung vom Dasein in der grellheißen Plattheit des Ovambolandes, in dem sie seit 1,5 Jahren lebten.

Sie waren sich wieder nah. Körper und Seelen hatten erneut zueinander gefunden nach vielen Monaten, in denen sie es nicht immer einfach hatten miteinander. Der Gleichtakt war wieder spürbar. Neue Gewissheit legte sich beruhigend auf die wunden Seelen, das „Allerwichtigste“, das „Wir“ stand endlich wieder klar und strahlend an erster Stelle.

Sie waren auf dem Rückweg von den Victoria-Falls, fuhren nun wieder immer gen Westen. Der „Caprivi-Highway“ sollte sie zurück zum Okavango führen. Auf dieser eintönigen Strecke durch den Nationalpark schlossen sie das erste Mal auf dieser Reise die Fenster und hörten Musik. Bob Dylan, sie sangen laut mit. Seine Hand lag auf ihrem Oberschenkel, sie hielt sie mit der ihren fest.

„Ein Zicklein“ weiterlesen

Der letzte Tanz

Nadine Gaerdes

Ich stockte, verunsichert, einem Kudu ähnlich, der eine Witterung aufnimmt, spürte ich Nähe. Ich war nicht allein.

Ich hatte Hemd und Hose sowie meinen Hut an die Stehschotenakazie gehängt, die seit gestern duftende Blüten trug. Meine Vellschuhe standen am Stamm unter den Dornenzweigen. Meine Brille wollte ich in eine kleine Astgabel legen, wo ich sie leicht wieder finden konnte.

Doch als mich dieses undefinierbare Gefühl überkam, bevor ich den Hang zum Damm hinabsteigen konnte, klappte ich die Bügel meiner Brille wieder auf. Ich blickte hinunter zum Wasser im Damm, aus dessen Richtung ich ein leises plätscherndes Geräusch vernahm.

Eine Gestalt bewegte sich in sanften Zügen durch das leicht braun wirkende Wasser. Nur der Kopf war zu sehen. Das Gesicht der Abendsonne zugewandt, kniff sie die Augen leicht zusammen. Dann erhob sie sich, so dass sich mir ihre nackten Brüste zeigten. Betont langsam strich sie sich mit den nassen Händen die langen dunklen Haare nach hinten, fasste sie in einem Strang zusammen, um sie auszuwringen, den Kopf nach hinten geneigt, die Augen geschlossen.

„Der letzte Tanz“ weiterlesen