Du bist frei, Du bist frei!
Verspürst du einmal Hungersnot,
wirst dieses Gefühl nimmer los.
Neid und Kraft bringen dich zum Brot.
Sie machen dich groß,
Du wirst allein verweilen,
da du nicht willst teilen.
Er ergreift dich –
Du bist frei, Du bist frei!
Verspürst du einmal Hungersnot,
wirst dieses Gefühl nimmer los.
Neid und Kraft bringen dich zum Brot.
Sie machen dich groß,
Du wirst allein verweilen,
da du nicht willst teilen.
Er ergreift dich –
Die Redaktion dankt den Jurymitgliedern: Hella Eichhoff, Christiane Frank-Schulz, Miriam Goebel, Doris Meyer und Jörg Klinner für ihren bereitwilligen Einsatz bei der Beurteilung dieses Wettbewerbes.
Wanderungen – so hieß das Thema des zweiten Literaturwettbewerbs, bei dem insgesamt 22 namibische literarische Texte eingegangen sind.
Obwohl die Autorinnen und Autoren mit dieser Vorgabe thematisch auf ein Gebiet begrenzt waren, war die Fragestellung dennoch gleichsam vielfältig und offen.
Mit einer Reise beginnen, in deren Verlauf man erlebt und am Ende einen neuen, manchmal anderen Standpunkt erreicht hat. Wanderungen. Dieser Kurzdefinition eingedenk gab es eine große Bandbreite an Einsendungen, bei denen Wanderungen in unterschiedlicher Form unternommen wurden: Die Reise mit eben jenem sprichwörtlichen Wanderstock durch die vielfältigen Landschaften Namibias wurde ebenso bearbeitet wie die Wanderung in Gedanken – durch die Zeit oder durch die Vergangenheit Namibias – im übertragenen Sinne.
Kurzgeschichte
Wer war verantwortlich?
In letzter Instanz Mutter, mit ihrer dominierenden Art und ihrer Eitelkeit. Ein Beispiel: Um die Form ihres Busens zu wahren, ließ sie mich von einem Hausmädchen stillen. Mit dieser Amme war ich die ersten drei, vier Jahre meines Lebens zusammen – tagtäglich; das prägt.
Und später?
… kam ich drüben aufs Internat. Da bricht der Krieg aus. Ich mit siebzehn zur SS – auf Geheiß von Mutter; sie war in der Partei. Ich wäre womöglich freiwillig gegangen, nur eben nicht von jetzt auf gleich. – Nach dem Zusammenbruch dann Flucht, Fremdenlegion, schließlich Indochina. Soldat sein war halt mein Handwerk. Diên Biên Phu machte mich zum Kommunisten – um dem Genickschuss der Vietmin zu entgehen. Sechsundfünfzig Ende der Gefangenschaft, Rückkehr nach Südwest und Heirat. Ich wechselte ins Lager der Buren, meiner Frau, Mutter und Verwoerd zuliebe. Und weil ich mich schämte, Deutscher zu sein. Ich ging sogar soweit, mich van Koller statt von Köhler zu nennen. Aber mit einem Male kam alles ins Rutschen. Meine Zeit mit der Amme forderte ihren Tribut.
Sonett
So lächeln wir mit welkenden Gesichtern,
es nähert sich der müden Wangen Ton
dem Erdengrau, das eisig dient dem Thron
des Nebelreichs, durchweht von Angst vor uns’ren Richtern.
Wer wüsste heut’ das End’ des Weges schon,
Der nicht erkennbar macht, wie sich bewähren.
Es lehrt ein guter Gott uns Hoffnung nähren,
noch schmerzt uns Weh um Erdentaten Lohn.
Die Marter ungenutzter Kindheitsträume,
und jener Nächsten, die man nicht genug geliebt
führt uns in wehmutsreiche Räume.
Gelassen will ich jeden Raum durchschreiten
Und hoffend, dass man mir vergibt,
zum dunklen Quell hinüber gleiten.
Erzählung
Meine Güte, wie die Sonne brennt! Und der Rucksack ist so schwer! Ich kann nicht mehr, ich kann wirklich nicht mehr!
Überhaupt, solch eine schwachsinnige Idee, diese Wanderung durch den Fischfluss-Canyon. Wir könnten jetzt in einer Lodge gemütlich am Pool sitzen und unsere Ferien ganz in Ruhe genießen. Doch ich wollte meinen Traum leben, den Traum aus den Märchen der Kinderzeit. Großmutter konnte sie so spannend erzählen: Ein Prinz auf seinem weißen Pferd, der schwere Aufgaben bewältigen muss, um die Prinzessin zu erobern. Und als Prinzessin fühle ich mich manchmal noch immer, aber das weiß nur ich.
Kurzgeschichte
Er hatte es sich zu seinem siebten Geburtstag gewünscht, aber die Mutter meinte, es sei nicht gut, sich woanders hin zu wünschen und in ein Bild hinein schon gar nicht. Er fand das sonderbar. Schon oft hatte er doch gehört, wie die Erwachsenen davon sprachen, im Bilde zu sein.
Das Bild hing an der Wand über seinem Bett. Schon immer. Er kannte jedes Detail; den Steinhaufen neben dem Fußweg, den gelb blühenden Dornbusch nahe der kleinen Graniterhebung, den Kameldornbaum und die gefleckte Kuh, die in seinem Schatten lag, die silbergrüne Farbe der Steppe und das Gehöft, zu dem der ausgetretene Fußweg führte. Wenige Gebäude, ein rotes Dach, ein Schornstein mit Rauch, viel mehr war nicht erkennbar.
Eine Erzählung für Kinder
Wie sehr hat Greta sich auf die Reise nach Namibia gefreut! Mit dem großen Flugzeug ist sie gekommen. Natürlich nicht allein, sie ist ja erst vier Jahre alt. Mama, Papa und die kleine Schwester Janne haben sie begleitet. Sie besuchen Opa Klaus und Oma Inge.
Hinter dem Haus von Opa und Oma liegt ein hoher Berg. Er heißt „Kaiser Wilhelm“. Greta schaut ihn immer wieder an. Sie sagt nichts, aber sie denkt nach.
Eines Tages fragt sie: „Oma Inge, Opa Klaus, können wir auf den Kaiser-Wilhelm-Berg klettern?“ Oma überlegt. „Greta“, sagt sie, „das wird eine lange Wanderung! Der Berg ist so hoch und deine Beine sind noch klein. Ob wir das schaffen?“ Opa meint: „Wir probieren es. Wir gehen langsam und wenn wir müde werden, kehren wir einfach um.“ Da ist Oma Inge einverstanden.
Gedicht
Erwischt.
Im Sperrgebiet
zwischen mir und mich
ohne Lizenz und ID
bin ich in Erklärungsnot
im roten Sand.
Ungefundene Diamanten
knirschen mir
zwischen den Zähnen.
Klappe halten.
Der Wüstenschakal
zwinkert mir zu:
Er hat einen Plan.
Er morscht keine Zeit.
„Hier, meine Schabracke,
mein räudiges Fell,
wirf es über,
sonst glühst du zu hell!“
Unantastbar.
Im Niemandsland
zwischen mir und mich
ohne Lizenz und ID
schmuggle ich Erklärungen
für jedes Korn im roten Sand.
Gedicht
Ich bin dein kleiner Wanderer
Im Gehirn
Die vielen Windungen sind die Straßen –
Wandere, wandere stapf, stapf, stapf,
in einem fort, ohne Rast und Ruh
Ruhe gibt’s nicht mal, machst’ Augen du zu.