Felsgraffiti Heft 23

Liebe Leserinnen und Leser!

Willkommen zur 23. Ausgabe von Felsgraffiti, die weitestgehend unter dem Motto des diesjährigen (mit einem relativ hohen Geldpreis ausgelobten) Schreibwettbewerbs steht: Sinnliches Namibia. Lassen Sie sich überraschen von Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Interpretationen und Varianten des Themas, aufgegriffen von hiesigen namibischen Autoren und einigen anderen, die derzeit im Lande leben oder hier gelebt haben.
Wir sind gespannt auf Ihre Reaktionen, denn nach der letzten Ausgabe von Felsgraffiti gab es durchaus kontroverse Kommentare zum Titelblatt, gestaltet nach einer Bildkomposition des namibischen Künstlers Tony Figueira, der sowohl Interviewpartner als auch bei der Heftvorstellung anwesend war. Das Spektrum der Ansichten reichte von originell und dekorativ über künstlerisch gut und endlich einmal etwas anderes bis zur Redaktionsschelte Felsgraffiti auf Playboy-Niveau.

„Felsgraffiti Heft 23“ weiterlesen

Literaturwettbewerb 2016: Juryurteil

Der diesjährige Felsgraffiti-Schreibwettbewerb wurde zum Thema „Sinnliches Namibia“ ausgeschrieben und es haben uns erfreulicherweise viele Zuschriften erreicht. Noch erfreulicher war, dass alle eingereichten Beiträge der Jury große Lesefreude bereiteten! Wir möchten daher allen Teilnehmern zu Ihren gelungenen Texten gratulieren und Sie unbedingt in Ihrem literarischen Schaffen für die Zukunft bestärken.

Um den Gewinner zu ermitteln, wurden viele Argumente ausgetauscht, viel konstruktive Fürsprache gehalten und viele Bedenken geäußert. Hierzu sei festgehalten, dass nach unserer Auffassung mindestens zwei Arten von literarischen Werken existieren: Texte, die es einem Leser einfach machen, und jene Schriften, die es nicht tun. Wir haben uns bei der Auswahl für die letztere Variante entschieden, sprich für einen Text, welcher sich einer abschließenden Interpretation konsequent entzieht. Nichtsdestotrotz hat uns die komprimierte, stilistisch ansprechende und formvollendete Eleganz überzeugt, mit der sich der sinnlichen Thematik angenommen wurde. Die Redaktion gratuliert Lutz Gohr herzlich zum Gewinn des Schreibwettbewerbs der23. Ausgabe der Felsgraffiti und zeichnet seine Geschichte „Die See der Nacht“ mit N$ 10.000 aus.

„Literaturwettbewerb 2016: Juryurteil“ weiterlesen

Die See der Nacht

Dr. Lutz Gohr

Ich entzog mich, der Hitze, dem Lärm, der Trockenheit, der immer weiter wachsenden Stadt, der vertrauten Umgebung, den kleinen und den großen Pflichten. Ich entzog mich, wie so viele es jedes Jahr um die gleiche Zeit machen, dem vertrauten Windhoek und es zog mich, der Herde folgend, an die Küste. Es ist nicht viel anders, nur kühler, ebenso vertraut, die selben Menschen, die gleiche Anzahl Autos, der selbe Lärm, aber Wasser, Meer, Sand, die Luftschmeckt anders, ich könnte die Ruhe in den, die innere Ausgeglichenheit, die mir immer wieder abhandenkommt. Der Norden von Swakopmund, Vineta, dort sind es weniger von der Herde, vielleicht ein paar Angler oder Spaziergänger, die sich die kalten Wasser des Benguela Stroms um die Knöchel spülen lassen. Wie immer dort, zwischen niedrigen, phantasielosen Betonbauten und kleinen Straßenfluchten eingesperrt steht mir doch der Weg offen, zum Meer, zu mir, zum Weg, zum Ziel.

„Die See der Nacht“ weiterlesen

Laute Herzen in Geisterstille

Sebastian Fechter

Das Thermometer im Jagdwagen zeigt 3 °C, als wir uns auf den Weg machen. Nach weiteren 45 Minuten im Ansitz sind es gefühlte 5 °C. Es ist der 23. Juni, halb sechs morgens und eisig kalt. Ich versuche meine Beine etwas zubewegen, denn mein linker Fuß ist eingeschlafen oder eingefroren. Ich weiß es nicht. Aber nein, ich kann mich nicht bewegen. Ich darf es nicht, nicht jetzt. Das kleinste Geräusch kann uns verraten. Dem Geist verraten, der dort irgendwo in der Stille des Buschlandes auf ein Festmahl wartet. Mein Herz pocht laut. Zu laut …

„Laute Herzen in Geisterstille“ weiterlesen

Grenzerfahrung

Ursula Lüsse

Winkend standen die Menschen im Staub der sich abhebenden Maschine. Ein kurzer Blick zurück umfasste, wovon sie gerade noch teil gewesen war. Braaivleisgeruch, Sonnenschein, Biertisch und Bänke, entspannte Lässigkeit, Windhoek Lager, Urlaub, Kommen und Gehen und ein müdes Kind, schwer auf ihrem Arm. Es sauste und brauste in den Ohren. Der Motor dröhnte. Der Wind blies durch die Kabine und die Haare in ihr Gesicht. Benzindämpfe verflogen mit der Staubfahne hinter ihnen. Sie hörte ihr Herz und spürte es pochend in ihrer Brust. Ihr Blick streifte den Hals der Frau neben sich; auch dort klopfte ein Herz sichtbar, bis zum Zerspringen.

„Grenzerfahrung“ weiterlesen

Kniefall

Ingrid Kubisch (Erika Moelle)

Die Liebe siehet durch die Phantasie, Nicht durch die Augen …
Shakespeare

Una bummelte die C30 entlang, um das Nachhausekommen in ein leeres Haus noch etwas hinauszuzögern. Das tat sie immer, seit Paul sie verlassen hatte. Der Fahrtwind wehte durchs Fenster, zupfte an ihren Haaren und kühlte ihren Nacken, während James Blunt When I ind love again krächzte. Miserabler Empfang. Womöglich war ja auch James Blunt miserabel. Paul war auf jeden Fall miserabel – eigentlich  war alles miserabel! Sie bog in die Farmpad ab und sah IHN! Er stand mitten in der Lichtung. Una knallte den Fuß auf die Bremse, und der Isuzu rauschte mit blockierenden Rädern in ein Hakkiebusch-Dickicht. Brauner Staub wirbelte durch die Kabine und bepuderte Butter, Käse, Wurst und Eier, die aus der umgekippten Coolbox gefallen waren.

Hustend setzte Una einige Meter zurück, begleitet vom bösartigen Kratzen der Dornenzweige, die sich am Auto festkrallten. Luft! – dachte sie und stürzte aus dem Auto. Sich am Geländer festhaltend, blickte sie rüber zu ihm.  Wie eine Statue stand er dort, reglos und gleichgültig; er schien sie nicht zu bemerken. Sie ging um den Wagen herum. Jetzt mussteersiesehen! Unbeteiligt schaute er ins Leere.

„Kniefall“ weiterlesen

Der Tänzer

Elke Reinauer

Er lebt sein Leben, als sei es ein Tanz. Ein Schritt hin zu Menschen, zu deren Herz, berührt sie. Bewegt sich dann wieder fort in die Stille seines Studios, um zu malen. Geht hinaus, taucht ein in Stimmen und Gesten. Einmal sagte er ihr, er sei in seinem Inneren ein Nomade. Aber als sie ihm das erste Mal begegnete, am Silvesterabend bei einem Braai, wusste sie diese Dinge noch nicht. Doch so wie er damals auf sie zuschritt, groß und schlank, seine violette Lederjacke trug er so lässig, da bekam sie eine Ahnung von seinem Wesen. Wie ein warmer Wind wehte die Vorahnung durch sie hindurch. Vielleicht würde er mit ihr tanzen. Vielleicht würde er davon tanzen, mit ihrem Herzen, als sei es eine Requisite in einem Theaterstück. Und sie würde es geschehen lassen.

Ihr Bekannter stellte sie einander vor. „Er ist Künstler“, sagte ihr Freund, „er malt unglaubliche Bilder.“

„Der Tänzer“ weiterlesen

Sehnsucht

Jan Risser

Mich durstet es nach dir.

So sehr, dass es bald schmerzt, seelisch wie körperlich. Wie eine Pflanze in der Wüste, eine Pflanze,

die die Dürre länger ertragen kann als viele andere. Eine Pflanze, deren Blätter welken und verdorren, wenn sie keine Nährstoffe, kein Wasser bekommen, tagelang, wochenlang. Monatelang. Wartet sie auf den nächsten Regen. Eine Pflanze, die schon beim kleinsten Gedanken an einen Tropfen Wasser anfängt zu zittern. Aber es war doch nur ein Gedanke.

Doch die Pflanze weiß, dass er kommen wird, der Regen.

„Sehnsucht“ weiterlesen

Sinnliches Namibia – eine Meditation

Dr. Andreas Vogt

Egon ist auf einem Spaziergang zum Avisdamm. Jetzt, an diesem schönen, nicht mehr allzu heißen, aber sonnigen Tag im Mai mit den vielen Feiertagen, ist es still in Windhoek. Er erinnert sich an die alten Tage, als die Hauptstadt noch nicht so voll war wie heute mit ihren staubigen Baustellen, schreienden Werbeplakaten, rücksichtslosen Taxis, leidigen Bremshügeln und den immer länger werdenden Autoschlangen. An diesen Feiertagen hat er das Gefühl, in das beschauliche Städtchen Windhoek seiner Kindertage versetzt zu sein. Er streift über die knochentrockene, zum Teil mit hohem Gras bedeckte Ebene, einst der Avisdamm. Vor nicht allzu langer Zeit saß er beim Bier in der Gaststätte in Klein-Windhoek und beobachtete, wie sich gut dreißig schneeweiße Pelikane gemächlich in majestätischen Kreisen und meisterhaftem Gleitflug immer weiter in die Höhe schraubten bis sie wie auf ein Kommando nach Norden abdrehten und allmählich aus seinem Sichtfeld verschwanden. Von allen Vögeln waren diese seine Lieblingsvögel. Zu putzig, wenn sie unbeholfen am Strande bei Swakopmund heranhopsten, um bei einem Angler einen Fischabfall zu ergattern. Oder wenn sie mit dem riesigen Schnabel klapperten und man darunter den Kehlsack sehen konnte; wenn sie darin einen Fisch erst in die richtige Lage schüttelten, bevor dieser durch den Schlund ebenfalls auf Nimmerwiedersehen verschwand. Erst in der Luft entfalteten diese Meister des Segelflugs ihren bezaubernden, ihre ganze Prachtverkörpernden Flugstil. Wenn man über der Sonnenglast der Dünen von Walischbai die Pelikane dahingleiten sah, glaubte man eine Fata Morgana zu erleben, so mühelos und schön sah das aus. Kein Wunder, daß der Pelikan das Wappentier der Walischbuchter Stadtverwaltung ist!

„Sinnliches Namibia – eine Meditation“ weiterlesen

Das Interview: Lauri Kubuitsile

geführt von Helga Falk

Lauri Kubuitsile, geboren in Baltimore, Maryland, lebt seit 1989 in Botswana. Sie hat bereits mehrere Literaturpreise gewonnen, u. a. zweimal „The Golden Baobab“ für ihre Kinderbücher. Im Jahre 2011 war sie für „The Caine Prize“ (Kurzgeschichten) nominiert. 2016 erschien ihr neuer Roman „The Scattering“, den sie im Juli in Windhoek vor einem großen Publikum vorgestellt hat.

Könntest du bitte einige Sätze über dich als Schriftstellerin erzählen?

Ich bin Schriftstellerin von Beruf. Ich habe schon viele Bücher geschrieben, für Kinder, Teenager und Erwachsene in allen möglichen Genres, die hauptsächlich im südlichen Afrika veröfentlicht worden sind. Ich habe auch eine Reihe von Kinderbüchern für die „Cambridge University Press“ in Großbritannien geschrieben. Einige meiner Bücher sind an Schulen in Botswana und in Südafrika im Lehrplan vorgeschrieben. Meine Kurzgeschichten wurden weltweit publiziert.

„Das Interview: Lauri Kubuitsile“ weiterlesen