Helmut Sydow
Wenn man darauf wartet, dass der Blitz einschlägt, sollte man nicht unter einem Blitzableiter stehen.“ Die Stimme des Mannes ist kaum mehr als ein Murmeln, aber die Frau hat ihn verstanden und lacht. Er küsst sie im Nacken und sie erwidert seinen Druck mit ihrem Körper. Aus Richtung der Treppe ist das sachte Tappen von Hundepfoten zu hören und der Kopf eines Huskies schiebt sich durch die Tür. Der Hund lässt den Blick durch das Zimmer wandern, wittert, tritt über die Schwelle und hockt sich auf der Seite der Frau vor das Bett. Dort bleibt er sitzen und starrt sie aus blassen Augen an. Als sie leise stöhnt, legt er den Kopf schief, hebt die Pfote, kratzt zweimal an der Matratze, und dann, als sie weiterhin die Augen geschlossen hält, legt er den Kopf in den Nacken, formt ein „O“ mit seinen Lefzen und jault aus voller Kehle „Jahoooooo“. Die Frau schreckt auf, ruft etwas, befreit sich aus den Armen des Mannes und zieht die Decke mit einem Ruck über den Kopf. Der Mann unterdrückt ein Lachen und hebt den Zeigefinger. „Laiki, nein!“ Der Hund schnauft, leckt sich die Schnauze und legt sich hin. „Du kannst wieder rauskommen“, sagt der Mann und die Frau blickt unter der Decke hervor. „Es ist kein Wolf. Nur der Hund vom Nachbarn. Er holt mich zum Spazierengehen ab.“
Die Frau zieht sich die Decke um den Oberkörper, beugt sich zu dem Hund hinunter und hält ihm die Hand hin. „Sorry, dass ich hysterisch war. OK.?“ Der Hund schnuppert, fährt ihr mit der Zunge über den Handrücken, legt sich auf die Seite und schließt die Augen. Die Frau dreht sich dem Mann zu und streicht ihm über das Haar. „Nimm’s mir nicht übel, aber mir ist vor Schreck die Lust vergangen. Gibt’s hier irgendwo Kaffee?“
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