Igel und Hase in Namibia

Oder Deutsche Sippen im Südwesten Afrikas

Namibia ist das Land der Sippen. Zwar ist das Wort „Sippe“ politisch nicht korrekt. Aber das Verschweigen eines Phänomens oder das Umschreiben desselben lässt dieses nicht einfach verschwinden. Volksgruppe, Sprachgruppe oder „tribe“ oder „clan“ sind Ordnungskriterien, die in einem multikulturellen Land wie Namibia zur eigenen Standortbestimmung und zur Orientierung beitragen. Auch wenn sie es nicht dürfen. Sie gehören zum Kleingedruckten, also Unleserlichen der Identitätsbeschreibung, selbst wenn diese auf einige Entfernung durch die Sprache und meist auch die Hautpigmentierung erkennbar ist.

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Zum Greifen und ergreifend

Die Autorenlesung mit Prof. Hans-Volker Gretschel aus seinem Buch „Von Kampwitwen und -waisen“ am 27. April 2010 im Estorff-Haus war keine Werbeveranstaltung. Die etwa 50 Interessenten, die der Einladung der Literaturzeitschrift Felsgraffiti gefolgt waren, erlebten dafür namibische Zeit- und Sozialgeschichte und wie beiläufig die Thematik der Frauenrechte in einer Intensität, die sich tief eingeprägt hat. Ohne Dogmatik, ohne Besserwisserei und ohne Beschönigung, aber dennoch unter einer gewissen Selbstzensur, die sich die Interviewpartner Gretschels, die vor etwa 13 Jahren befragten Kampwitwen und -waisen, selbst auferlegt hatten. Den Wunsch auf Diskretion und Ausblendung der vermutlich peinlichsten Aspekte aus den Erfahrungen der Südwester Frauen und Töchter der deutschsprachigen Männer, die während des 2. Weltkriegs zuerst kurz in Namibia und dann bis 1946 in Südafrika interniert waren, hat der Autor auch gegen bohrende Fragen aus dem Publikum konsequent bis zu der Verpflichtung verteidigt, dass er die ihm bekannten Umstände und Familiengeschichten, die nicht abgedruckt sind, auch nach dem Tod seiner Interviewpartner nicht veröffentlichen wird. Das hat er ihnen versprochen und dazu steht er. Voyeuristischer Neugier ist damit der Riegel vorgeschoben.

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Todesfuge

Schwarze Milch der Frühe wir trinken sie abends
Wir trinken sie mittags und morgens wir trinken sie nachts
Wir trinken und trinken
Wir schaufeln ein Grab in den Lüften, da liegt man nicht eng.
Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen, der schreibt
Der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete
Er schreibt es und tritt vor das Haus und es blitzen die Sterne er pfeift seinen Rüden herbei
Er pfeift seine Juden hervor lässt schaufeln ein Grab in der Erde
Er befiehlt uns spielt auf nun zum Tanz.

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Der Tod ist ein Meister aus Deutschland

Zum 90. Geburtstag von Paul Celan

Paul Celan wurde am 23.11.1920 als Jude Paul Antschel in der Deutsch sprechenden und deutsche Kultur auf hohem Niveau lebenden rumänischen Stadt Czernowitz geboren.

In einem Arbeitslager hat er die Nazizeit über-, aber das Grauen und die Menschenverachtung miterlebt, die ihn sein Leben lang verfolgten. Seine Eltern wurden deportiert und im KZ ermordet.

Nach Kriegsende lebte er zuerst in Wien, ab 1948 in Paris – zerrissen, widersprüchlich, unerlöst: „Ich kann nicht da leben, wo man Deutsch spricht, aber schreiben muss ich in dieser Sprache.“ Er schlug sich finanziell als Deutschlehrer an einer École Normale in Paris und als kongenialer Übersetzer ins Deutsche u. a. von Rimbaud und Shakespeare mehr schlecht als recht durch. Nur in seiner Lyrik und seinen literarischen Briefwechseln (u. a. mit Ilana Shmueli und Ingeborg Bachmann) äußerte er sich selbst.

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