Christoph Martin Wieland (1733-1813) – Zum 200. Todestag

Ursula Dahlet

Gar nicht so leicht, einen so alten Herrn wieder ins Bewusstsein unserer Leser zu rücken, waren meine Gedanken, als ich mit den Recherchen über Christoph Martin Wieland begann. Beruhigt hat mich dann die Tatsache, dass die Werke Wielands seit 2008 in einer von Klaus Manger und Jan Philipp Reemtsma herausgegebenen historisch-kritischen Ausgabe publiziert werden. Sie ist auf sage und schreibe 36 Bände ausgelegt! Wieland ist also doch kein Vergessener!
Er gilt bis heute als der „Voltaire der Deutschen“, ein Verfechter der Aufklärung und einer der größten Autoren der Goethezeit. Wieland war ein Dichter, von dem der Autor Arno Schmidt (1914-1979) schreibt „…ein Mann, durch dessen Schreibtisch die Schriftsteller ihren ersten Meridian ziehen müssten.“


Nun ist nicht jeder Mensch ein Schriftsteller, was also ist auch für den „Normalbürger“ wissenswert über Christoph Martin Wieland?
Geboren in Oberholzheim bei Biberach in Oberschwaben, wo sein Vater als Pfarrer und Siechenprediger tätig war, erlebte er eine geborgene Kindheit. Pfarrhäuser waren zu allen Zeiten ein guter „Bildungsnährboden“. Und doch ist die Tatsache, dass er schon als 16-Jähriger fast alle römischen Klassiker gelesen hatte, außergewöhnlich. Sein Jurastudium in Tübingen befriedigte ihn wenig. Er vernachlässigte es zugunsten eigener poetischer Produktionen. Von seinem pietistischen Elternhaus geprägt, erfasste ihn jugendlich religiöser Eifer. Jahre später fand er zu einer vollständigen Umkehr seines Denkens und Handelns. Lessing meinte dazu, Wieland hätte endlich die ätherischen Sphären verlassen und wandle wieder unter Menschen.
Und damit auch unter Frauen. Die Verlobung mit der späteren Schriftstellerin Sophie La Roche zerbrach. Die Liaison mit einem katholischen Mädchen wurde vom Elternhaus nicht geduldet. Unter dem Druck der Familie heiratete er schließlich eine Kaufmannstochter aus seiner Heimat. Beide machten wohl das Beste aus dieser „geplanten Verbindung“. Sieben überlebende Kinder zählte die Großfamilie und die Ehe hielt ein Leben lang.
Seine produktivste Zeit erreichte er, als er sich zu Goethe, Schiller und Hegel nach Weimar begab, in jener Zeit der dichterische Nabel deutschsprachiger Literatur. Wieland wurde zu einem der hellsten Sterne klassischer Dichtung. Seine berühmten Werke entstanden, wie zum Beispiel das lyrische Drama Alceste, das Ritterspiel Oberon oder die Hetärengespräche. Seine Shakespeare-Übersetzungen, die ersten in deutscher Sprache, machten ihn berühmt. Seine Horaz-Übersetzung hat bis heute Gültigkeit. In seiner eigenen Literaturzeitschrift Der Teutsche Merkur konnte er eine ausgeprägt kritische Tätigkeit ausüben.
Für seine Familie kaufte er das Gut Oßmannstedt bei Weimar und erfüllte auch sich damit einen Traum. Goethe war dort ein gern gesehener Gast und er wusste die gute Hausmannskost und die lebhafte Kinderschar zu schätzen. Doch die Kosten des Anwesens drückten und die Familie zog wieder nach Weimar zurück. Zur großen Familie gesellte sich die Enkeltochter seiner früheren Verlobten Sophie La Roche, Sophie von Brentano. Sie war für den inzwischen 65-jährigen Dichter eine Seelen- und Herzenstochter. Diese Beziehung erinnert an den alternden Goethe und seine letzte große Liebe, die junge Ulrike von Levetzow.
Christoph Martin Wieland fand vor 200 Jahren auf Gut Oßmannstedt seine letzte Ruhestätte zwischen seiner Frau und Sophie von Brentano. Sein Grab ist bis heute unversehrt und eine Pilgerstätte für Wieland-Fans.
Die Zeitschrift für Literatur Text und Kritik brachte sein Werk auf einen Nenner: Menschenfreundliche Ironie, sein radikaler Kosmopolitismus, seine atemberaubende Fähigkeit zum Dialog, alles das machte seine Prosa zu einem bis heute wirksamen Gegengift gegen jede Form des Fundamentalismus.
Wielands Werke sind also auch für den heutigen „Normalbürger“ einen geistigen Ausflug wert. Sollten Ihnen die oben erwähnten 36 Bände zu viel sein, dann bietet sich das eBook Das große Lesebuch (Fischer eBook 2012) mit einem umfassenden Überblick über Wielands beeindruckendes Gesamtwerk an. Mein Interesse ist auf jeden Fall geweckt. Das Ihrige auch?

2 Gedanken zu „Christoph Martin Wieland (1733-1813) – Zum 200. Todestag

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